## page was renamed from StadtgesprächeArtikel2014 ## page was renamed from StadtgesprächeArtikel0214 Eine alte, verlassen wirkende Baracke. Kaltes Licht erhellt den Flur. Nicht gerade einladend. Um die Ecke eine Tür mit einem diskreten Schild, dahinter Stimmen. Ein Klopfen, es wird geöffnet. Dies ist aber kein verrauchtes Hinterzimmer einer dubiosen Gesellschaft. Die Menschen, die den Dazugekommenen eben noch freundlich willkommen hießen, wenden sich wieder dem an die Wand projezierten Programmcode zu und diskutieren lebhaft. Unter das Stimmengewirr der Runde mischt sich ein undefinierbares Geräusch aus dem Nebenraum. Jemand experimentiert mit einem Lautsprecher und einem Microcontroller-Board. Labormessgeräte und verschiedenste Werkzeuge, vom Lötkolben bis zur Standbohrmaschine, warten auf ihren Einsatz. Man würde hier die Werkstätte eines Hobby-Bastlers vermuten. Wir sind im Hackspace Rostock. Hier wird sich regelmäßig getroffen, um gemeinsam an verschiedenen Projekten zu werkeln und Wissen auszutauschen. Viele Ideen schweben durch den Raum: ein stimmengesteuertes Schließsystem, Getränke servierende Roboter und handgefräste Stempel. Kunst trifft Technik - Technik trifft Kunst. Doch auch an der eigenen Infrastruktur wird gebastelt. Das Internet kommt aus der Luft vom Verein "Opennet Initiative" und die Webseite des Hackspace liegt nicht bei irgendeinem kommerziellen Anbieter, sondern auf einem Hosentaschen-Computer direkt vor Ort. Der Begriff Hackspace leitet sich aus den englischen Wörtern "hack" und "space" ab. Hack, das steht für auseinandernehmen, verstehen und falsch wieder zusammensetzen, zweckentfremden und kreativ sein. Space steht für den Raum, in dem wir uns bewegen und der unseren Gesprächen und Basteleien einen anregenden Rahmen bietet. Es existiert bereits eine Vielzahl verwandter Konzepte: offene Werkstätten, gemeinschaftliche Labore, Reparatur- oder Selbsthilfewerkstätten. Ihnen gemein ist der Wunsch nach einem Ort des Austauschs und der gegenseitigen Anregung. Sie bieten aber auch ein Heim für Werkzeuge und Maschinen, die zu Hause vielleicht keinen Platz fänden, in der Anschaffung individuell unbezahlbar wären oder auf Grund ihrer geringen Nutzungsfrequenz in eigenen Kellern zu bedauernswerten Staubfängern verkämen. Da gemeinschaftliche Werkstätten auf Grund ihres lokal begrenzten Wirkradius kaum überregionale Bekanntheit finden konnten, gab es vor dem Zeitalter des im historischen Vergleich niederschwelligen (Fussnote: im Vergleich zum Erwerb einer Druckmaschine) Informationsaustauschs kaum Belege für diese kooperative Erscheinungsform. Seit dem Beginn der 90er Jahre sind Spuren von FabLabs (gemeinschaftlich organisierte Orte der Produktion) im Internet zu finden. Mitte der 90er Jahren kamen langsam auch Hackerspaces auf, die sich zusätzlich zu Maschinen und Werkzeugen, als auch mit elektronischen Geräte und deren kreativer Nutzung beschäftigen. Bedingt durch eine Mischung von ressourcenorientierter Konsumkritik und ökonomischer wie ökologischer Not entwickelte sich im neuen Jahrtausend eine Bewegung, die die Vermeidung von Konsummüll durch Reparatur oder Aufwertung (englisch: "upcycling") zum Ziel hat. Ein RepairCafé[1], das gerade in Schwerin in Gründung ist, ordnet sich dieser Bewegung zu, ebenso wie weniger sichtbare gemeinschaftliche Werkstätten: in Anklam ("Offene Werkstatt Anklam"[2] mit Fokus auf kreatives Basteln und Kunst), in Greifswald ("Kabutze"[3] - alles rund um Textilien) und in Rostock die auf Jugendliche ausgerichteten Werkstätten im JAZ[4] (Fahrrad, Computer, Metall, Deko, Keramik und Audio/Video). Unsere Geschichte beginnt in Rostock, als sich im Oktober 2012 mehrere Menschen im Freigarten des Peter-Weiss-Hauses zusammenfinden und sich fragen, warum Rostock eigentlich die einzige Großstadt in Mecklenburg-Vorpommern ohne Hackspace ist. Die Treffen verstetigen und verlagern sich. Erst in den Pleitegeier, später in die Gelbe Katze, der wir auch jetzt noch jeden ersten Mittwoch im Monat treu sind. Noch ohne eigenen Raum drehen sich viele Gespräche darum, wie wir uns selbst sehen. Ob wir als Verein existieren möchten oder doch lieber ganz lose und unverbindlich, ob wir Hackerspace oder Hackspace sind und ob wir wirklich diesen Kühlschrank für kaltes Bier brauchen. Viele Diskussionen später sind wir schlauer und unterschreiben im September 2013 den Mietvertrag für die ersten Räume. Seitdem wird kräftig gebaut, gestaltet und Neues geschaffen. Und genau das ist es, was uns eint – der Spaß daran, Neues zu schaffen. Dabei ist jedes scheinbare Hindernis, jedes technische Problem eine willkommene Herausforderung, an der wir uns erproben und lernen wollen. Unsere Betätigungsfelder erstrecken sich über kreative Wege der gemütlichen Raumgestaltung, den Entwurf eines Audiosystems, an das jede Tonquelle angeschlossen werden kann, ohne Kabel zu verlegen bis zu kreativer Verknüpfung verschiedenster Sensoren und Detektoren zur Erzeugung einer anheimelnden und überraschenden Atmosphäre in den Räumlichkeiten. Außerhalb dieser Wände sind wir dabei, unser Wissen über Netzwerke und Technik, in Kooperation mit den in der Satower Straße kasernierten Geflüchteten einzubringen, um ihnen praktischen, nutzbaren Zugang zum Internet zu ermöglichen. Unser Hackspace soll ein Sammelbecken für Menschen sein, die sich bei der Realisierung ihrer Ideen gegenseitig unter die Arme greifen und in dem wir den wachsenden Einfluss von Technik im weitesten Sinne nicht nur akzeptieren und erkennen, sondern auch seine gesellschaftlichen Wirkungen erforschen und mitgestalten. Unser Raum, die Werkstatt und all die Kabel, Sensoren, Licht- und Tonquellen sind Gelegenheiten für alle Interessierten, sich auszuprobieren und von den Anderen zu lernen. Wer hat sonst schon die Gelegenheit, zu Hause eine Telefonanlage aufzubauen, eine strukturierte Netzwerkverkabelung zu planen oder eine vollautomatisierte Pflanzenbewässerungsanlage zusammen mit Biologen, Bastlern und Programmierern zu entwickeln? Kommt alle! Wann und wo findet ihr auf unserer Website unter hack-hro.de. [1] http://repaircafe.org/de/ [2] http://www.offene-werkstaetten.org/werkstatt/offene-werkstatt-anklam [3] http://www.kabutze-greifswald.de/ [4] http://www.jaz-rostock.de/